Galadriel, kurz El, ist Schülerin einer ungewöhnlichen, sehr gefährlichen und magischen Schule. Ständig sterben Schüler an Monstern und manchmal auch durch mordende Mitschüler, die von der Lebensenergie (Mana) ihrer Opfer profitieren wollen. Die Schule ist jedoch gerade dafür da, das geringere Übel zu sein. Denn außerhalb der Schule ist die Welt für die jungen Magier noch deutlich gefährlicher, mit mehr Monstern und höheren Todeszahlen.

Die Welt ist zwar an den Mythos der Schule namens Scholomance auf dem Balkan angelehnt, die zum Beispiel auch in Stokers ‘Drakula’ erwähnt wird, weicht aber deutlich von dieser ab. Es gibt ein Magiesystem, welches auf Mana und bösen Mana ‘Malia’ aufbaut. Die Hauptfächer der Schüler sind Sprachen, worin El sich spezialisiert, die wichtig sind, um die Zauber in den vielen unterschiedlichen Sprachen sprechen zu können, Alchemie, sowie Herstellung magischer Gegenstände (Artifice). Die Schule steht mitten in der Leere, selbst die wandlosen Zimmer der Schüler grenzen an diese. Die Schule unterrichtet die Schüler selbst; im gesamten Gebäude gibt es keine Lehrer. Ohne Lehrer würden vielleicht manche vermuten, dass die Schüler nicht selbstständig lernen, doch es gibt eine große Motivation für alle. Am Ende ihrer Schulzeit gibt es nur einen Weg aus der Schule: die Graduationshalle, die voller Monster ist, die es noch nicht weiter in die Schule geschafft haben. Und weil dort sehr viele weitere Schüler sterben, ist es nicht nur wichtig sich während der Schulzeit anzustrengen, die Schüler bilden auch Teams um sich gegenseitig beim Verlassen der Schule zu unterstützen.

El ist am Anfang des Buchs eine Außenseiterin. Nicht nur weil sie nicht aus einer reichen Magierenklave, welche wie die Scholomance zum Schutz vor Monstern existieren, sondern auch weil sie, für den Leser offensichtlich, sehr streitbar ist. Sie sieht überall niedere Motive, mag keine Enklaver und benimmt sich allgemein unhöflich.

Anders ist Orion. Er ist Enklaver und für ihn scheint das Leben ganz einfach zu sein. Er ist sehr gut im Kämpfen gegen Monster und rettet ständig anderen Schülern das Leben. Zwar ist er deshalb sehr beliebt, doch fühlt er sich genauso wie El wie ein Außenseiter. Denn er weiß, dass ihn jeder nur wegen seiner Eigenschaft als Retter mag, nicht jedoch aufgrund seiner Person. Als er dann aber El das Leben rettet, benimmt diese sich anders als er es gewohnt ist. Sie ist unhöflich und beleidigt ihn. Das aber zieht ihn an und die beiden werden Freunde.

Beide Hauptcharaktere haben ein wenig das Superheldensyndrom, was das bei El genau bedeutet, habe ich erstmal ausgelassen und wird vor allem in den weiteren Büchern ausführlicher erörtert, sie sind aber auf eine ungewöhnliche Weise anders. Dabei sind sie interessante, komplexe und neuartige Charaktere.

Von der Außendarstellung und -besprechung erscheinen mehrere Aspekte des Buches unfreiwillig komisch: eine Schule ohne Lehrer, der ständige Tod, die edgy Protagonisten und viele weitere Aspekte. Beim Lesen der Buchreihe hat mich diese Art von Absurdität aber nicht gestört, wie schon bei so manchem anderen Buch. Viel mehr wirkt die Welt in sich glaubhaft. Nur die Außenbetrachtung ist jedoch unweigerlich komisch.

Die Fantasiewelt ist außerdem genau wie die Charaktere neuartig. Ja, es gibt viele Fantasybücher mit Schulen für Kinder mit magischen Begabungen. Aber es gibt kein Buch mit den Elementen dieser Welt.

Novik schreibt aus Els Perspektive und die Gedanken Els schweifen häufig ab (ähnlich dem Stream-of-Consciousness Stil), sodass Novik häufig mitten in Dialogen abschweift und uns die Welt und den Kontext aus Els Sicht wiedergibt. Dies kann es für den Leser schwer machen, der Handlung zu folgen. Es ist jedoch nicht so extrem wie in manch anderen Büchern, zum Beispiel seitenlange Beschreibungen der Inneneinrichtung einer Kirche in ‘Der Name der Rose’ oder die langatmige Erklärung des Kasinospiels Baccarat in Flemings ‘Casino Royale’. Diese Erzählweise unterschreicht Els besonderen Charakter, ihre Art eher in ihrem Kopf zu leben, statt häufig mit Schulkameraden zu interagieren.

Trotzdem bleibt das Buch spannend und emotional. Man fühlt mit den handelnden Personen, es gibt mehrere Wendungen und El entwickelt sich im Laufe des Buchs immer weiter.

Zum Nachdenken regt das Konzept der Schule ohne Lehrer an oder vielleicht weniger extrem: Schüler, die hauptsächlich eigenständig lernen. Und das nicht erst im Studium, sondern bereits während der Schulzeit. Zwar lassen sich alle möglichen Probleme bei einer Übertragung in unsere Welt auf Anhieb erahnen (Schüler die nicht lernen wollen, die nicht wissen, was sich zu lernen lohnt, ungleicher Wissensstand…). Aber ich sehe auch Vorteile. Man würde die Schüler mehr ihre eigenen Interessen und Fähigkeiten verfolgen lassen und nicht starr in das System der heutigen Schulen pressen. Die Schüler müssten mehr nachdenken und weniger stumpf den Stoff pauken. Wie wäre es also, wenn wir Schulen hätten mit zumindest mehr Zeiträumen, in denen Schüler selbst sich etwas erarbeiten können? Wir müssten damit nicht gleich das ganze System anpassen. Lehrer würden den Schülern als Mentoren zugeteilt und würden mit ihnen Fortschritte und Ziele besprechen. Außerdem könnte man auch Grundschulen außen vor lassen und das lediglich auf weiterführenden Schulen ausprobieren.

Insgesamt hat es mir viel Spaß gemacht dieses Buch und die beiden folgenden zu lesen. Jedes dieser drei Bücher ist eine nette Lektüre für 2 oder 3 Abende und meiner Meinung nach empfehlenswert.

Ich habe es im Englischen Original gelesen. Dabei war die Sprache nicht sonderlich schwierig. Allein die Wortneuschöpfungen im Zusammenhang mit dieser Welt könnten Fremdsprachlern Probleme bereiten.